meet&greet – Im Spannungsfeld zwischen Strafverteidigung und Opferschutz
Heute möchten wir gerne unser beliebtes Format des „meet&greet“ einmal genauer vorstellen. Regelmäßig laden wir die Nutzer von trauma.help sowie andere interessierte Therapeut:innen und Ärzt:innen ein, sich mit einem Referenten über ein spannendes Thema aus dem Bereich der Psychotraumatologie sowie angrenzenden Feldern auszutauschen. Zuletzt war die Rechtsanwältin Jana Jürgen unser Gast.
Die Tatsache, dass Jana neben der klassischen Strafverteidigung auch im Bereich des Opferschutzes tätig ist, war für unsere Nutzer von besonderem Interesse. Gerade nach schweren Straftaten gegen Kinder ergibt sich nämlich häufig ein Spannungsfeld zwischen der medizinisch notwendigen, möglichst frühzeitigen Behandlung von Traumafolgen und der Befürchtung, dass die Bearbeitug von aufdringlichen Erinnerungen auch zu einer Veränderung dieser führt und damit die Qualität und Brauchbarkeit von Aussagen verringert.
Jana sagt: „Auch wenn es ein bisschen ungewöhnlich klingt, ist mein Engagement maßgeblich meinem Mentor zu verdanken, der seit Jahrzehnten in diesem Bereich aktiv ist. Somit stand für mich von vornherein fest, dass ich nicht nur die Tätigkeit der Strafverteidigerin ausüben möchte, sondern auch die Vertretung von Opfern ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit sein soll.“
In ihrem spannenden Vortrag erklärt sie, warum ihre Arbeit über die rein rechtliche Beratung hinausgeht:
„Ich kläre meine Mandanten über den Ablauf eines Strafverfahrens sowie die damit verbundenen Widrigkeiten vollumfänglich auf. Dabei ist mir bewusst, dass ich in der Regel nicht die erste Anlaufstelle der betroffenen Personen bin. Die rechtliche Beratung erfolgt häufig erst spät, wenn überhaupt. Daher halte ich es für bedeutsam, die Erstanlaufstellen in diesem Bereich zu schulen.“ – und das sind nicht selten wir als Psychotherapeut:innen.
In dem Vortrag stand es daher im Vordergrund, den Therapeut:innen als Erstanlaufstelle oder Erstgesprächspartner:innen einen grundlegenden Überblick zu vermitteln, damit sie in Zukunft ncoh besser in der Lage sind, auf die typischerweise wiederkehrenden Fragen von Betroffenen zu antworten. Dabei geht es nicht um die konkrete rechtliche Einordnung der Taten, sondern vor allem um ein Verständnis dafür, was es für Opfer bedeutet, eine mögliche Tat strafrechtlich zu verfolgen:
- Welche Schritte müssen durch die Betroffenen unternommen werden, dass diese Taten strafrechtlich verfolgt werden können?
- Welche Phasen durchläuft ein Strafverfahren und mit welcher Dauer müssen die Betroffenen rechnen?
- Welche Rolle spielt das Opfer in einem solchen Verfahren + Wie oft kommt es zur Aussage? Besteht die Möglichkeit, dass Aussagen wiederholt werden müssen?
- Wann ist es sinnvoll sich auch als Opfer von einem Anwalt oder einer Anwältin vertreten zu lassen?
- Welche Kosten bringt die Mandatierung eines Opferanwaltes mit sich?
- Welche Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung gibt es für das Opfer?
- Wie können Strafverfahren ausgehen (Einstellung, Urteil, etc.)?
- … und nicht zuletzt: wie wirkt sich in der aktuellen Rechtsprechung eine lege artis durchgeführte traumafokussierte Therapie auf den Prozess aus?
Danke liebe Jana Jürgen für den tollen Vortrag und Dein ehrenamtliches Engagment für trauma.help!